8.6.2023
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10 Minuten

Cross-Linking

Schwache Hornhäute können durch das minimal-invasive Cross-Linking-Verfahren verfestigt werden, sodass eine Hornhauttransplantation verhindert werden kann

Dr. Valéry Vinzent Wittwer

Bis zum Jahr 2000 existierten keinerlei Behandlungen, um sogenannte ektatische Hornhauterkrankungen (Keratoconus, PMD, Keratektasie) zu stoppen. Folglich blieb nichts weiter übrig als zuzuwarten, bis die Hornhaut sich so stark vorwölbt, dass eine Korrektur des Sehens mit Brille oder Kontaktlinsen nicht mehr möglich war. In diesem Stadium konnte dann nur noch eine aufwändige und risikoreiche Hornhauttransplantation das Sehen wieder verbessern.

Dank der Erfindung des Cross-Linkings durch unter anderem Prof. Dr. Dr. Theo Seiler existiert eine minimal-invasive Methode um das Fortschreiten dieser Hornhauterkrankungen effektiv zu stoppen.

Wir bei Eye Zurich haben grosse Erfahrung aus langjähriger, enger Zusammenarbeit mit dem Erfinder des Hornhaut-Cross-Linkings.

Keratektasie

Die Hornhaut des Auges besteht aus einem Gerüst von Kollagenfasern, die besonders ausgerichtet sind. Durch diese Anordnung entsteht eine hohe Stabilität und Transparenz, welche für die Sehkraft wichtig ist.
Bei Patienten mit einer Ektasie ist diese Stabilität reduziert, sodass sich die Hornhaut immer weiter nach vorne wölbt.

1. Kollagenfasern
2. Hornhautbereich mit Keratektasie

Timeline der Behandlung
  • Die Diagnose "Keratektasie" wird gestellt und das Ausmass mit hochpräzisen Hornhautmessungen dokumentiert
  • Das Voranschreiten der Krankheit wird mit älteren Bildern oder mit einer weiteren Kontrolle bestätigt
  • Ein Gesuch um Kostengutsprache wird an die Krankenkasse des Patienten gestellt (falls vom Patienten erwünscht). Seitens der Krankenkasse muss mit einer Bearbeitungsfrist von ungefähr einem Monat gerechnet werden.
  • Die Operation kann geplant werden
Wirkungweise des Cross-Linkings

Durch das Cross-Linking werden die Kollagenfasern untereinander "querverlinkt" und somit verfestigt. Das primäre Ziel der Behandlung ist es die gegenwärtige Form der Hornhaut zu stabilisieren also «einzufrieren» und das Fortschreiten der Erkrankung zu verhindern.

Ablauf der Behandlung

Die Behandlung findet in vier Schritten statt.

  • Das von der Ektasie betroffene Areal der Hornhaut mit einer feinen Klinge (Hockey-Messer) von der obersten Hornhautschicht (Epithelium) befreit
1. Lidhalter
2. Hornhautepithelium
3. Hockey-Messer
4. Hornhautstroma ohne Epithel
  • Eine gelbliche Lösung aus Riboflavin (Vitamin B2) wird über 20-30 Minuten regelmässig immer wieder auf die Hornhaut getröpfelt. Das Riboflavin kann so tief in die Hornhaut eindringe und lässt diese leicht anschwellen.
1. Riboflavin-Lösung
2. Durchtränktes Hornhautstroma
3. Vorderkammerwasser
  • Die Hornhaut wird danach über 10-30 Minuten mit UV-A-Licht (ultraviolettes Licht) bestrahlt, was zur Photoaktivierung des Riboflavins und dadurch zum Cross-linking-Effekt führt
1. UV-Strahlung
2. Customized profile

Durch das Cross-Linking werden die Kollagenfasern miteinander Verbunden wodurch einerseits die Stabilität zunimmt und anderseits auch eine teilweise Abflachung stattfindet.

1. Quervernetzungen zwischen Kollagenfasern
2. Abflachung im Bereich der Vorwölbung

Heilungsprozess

Die Behandlung an sich ist praktisch schmerzfrei und wird in Lokalanästhesie mit betäubenden Augentropfen durchgeführt. Nach dem Cross-Linking treten moderate bis starke Schmerzen auf, die nach zwei bis drei Tagen wieder abklingen. Anfangs ist die Sehkraft deutlich reduziert und Blendempfindlichkeit macht sich bemerkbar.
Die Rückkehr zu alltäglichen Aktivitäten und zur Arbeit ist normalerweise nach 7-14 Tagen möglich.

Unterschiedliche Arten des Cross-Linkings

In den letzten zwei Dekaden wurde die Crosslinking-Behandlung fortwährend weiterentwickelt. Dabei wurden Leistung und Bestrahlungsdauer oder das Muster der Bestrahlung optimiert.

Standart Protokoll (Dresden Protokoll)

Die Bestrahlungszeit dauert 30 Minuten bei einer Energie von 3mW/cm2

Accelerated Protokoll

Die Bestrahlungszeit wird auf 10 Minuten verkürzt während dem die Energie auf 9mW/cm2 erhöht wird. Die Behandlungszeit wird deutlich verkürzt ohne, dass der Cross-Linking-Effekt abnimmt.

Customized Prodokoll

Das Muster der Bestrahlung wird individuell an die Hornhaut resp. an den Keratokonus des Patientes angepasst. Dadurch verringert sich die Heilungszeit und der Keratoconus bildet sich leicht zurück.

Athens Protocol

Bei weniger fortgeschrittenen Formen des Keratoconus kann die Hornhaut vor dem Cross-Linking mit einem Laser (PRK) zuerst regularisiet werden. Durch diese Regularisierung wird die Hornhaut wieder runder, was später die Sehschärfe ohne Brille oder Kontaktlinsen verbessern kann.
Da die Hornhaut durch den Cross-Linking-Effekt noch bis zu zwei Jahren später leicht abflacht ist es Sinnvoll die Laser-Korrektur zur Verbesserung der Sehschärfe erst später vorzunehmen.

Epi-On-Protokolle

Die oberste Schicht der Hornhaut wird bei diesen Verfahren nicht entfernt, was eine schnellere Heilung mit sich bringt. Zahlreiche Studien haben jedoch gezeigt, dass der Effekt bei dieser Methode nicht genügend ist, wir raten deshalb von diesen Protokollen ab.

Bei allen Arten des Cross-linkings wird die Hornhaut versteift und unterschiedlich stark abgeflacht. In ungefähr 95% der Behandlungen wird das Fortschreiten des Keratoconus dadurch gestoppt und bildet sich dadurch teilweise zurück.

Nach dem Cross-linking

Direkt nach der Behandlung wird eine Verbandskontaktlinse  auf die Hornhaut gesetzt. Dadurch kann das Epithel (oberste Hornhautschicht), die für die Behandlung entfern wird, schneller zuheilen. Damit der Lidschlag die Heilung nicht verlangsamt wird das Augen mit einem zusätzlichen Verband verschlossen.

Die Hornhaut ist das Gewebe mit der grössten Dichte an sensiblen Nervenfasern am Menschen. Folglich reagiert der Körper auf die Behandlung mit vermehrtem Tränenlaufen, starken brennenden und stechenden Schmerzen.

Eine ausgebaute Schmerztherapie hilft die ersten Tage nach der Behandlung angenehmer zu machen.

3 Tage: Die erste Kontrollen nach der Cross-Linking-Behandlung

Die Kontaktlinse wird vorsichtig entfernt und es wird kontrolliert ob die oberste Schicht der Hornhaut (Epithel), die für die Behandlung entfernt wurde, zugeheilt ist. Sobald diese geschlossen ist werden kortisonhaltige Augentropfen (FML) angewandt um die Entzündungsreaktion zu kontrollieren. Die entzündungshemmenden Augentropfen (FML) werden über vier Wochen langsam ausgeschlichen. Zusätzlich empfehlen wir regelmässig befeuchtende Augentropfen (Optava) anzuwenden.
Die Sehkraft erholt sich zögerlich, was bis zu mehreren Wochen andauern kann.

2 Wochen: Kontrolle des Effektes der Behandlung

Mit einer sogenannten OCT-Bildgebung (optical coherence tomography) kann gezeigt werden wieviel Prozent der Hornhaut erfolgreich behandelt wurde.

1 Monat: Topographie und Freigabe für Kontaktlinsenanpasssung

In der Ein monatskontrolle wird die aktuelle Topographie mit den Bildern vor der Operation verglichen. Falls die Hornhaut vollständig aufgeklart ist können die kortisonhaltigen Augentropfen gestoppt werden.

Da auch nach der Cross-Linking-Behandlung die Form der Hornhaut in der Regel nicht ganz regelmässig ist kann die Sehkraft mit Brille nur beschränkt verbessert werden. Formstabile, also harten Kontaktlinsen überdecken die Unebenheiten der Hornhaut und schaffen so eine schöne, kugelförmige Oberfläche. Dies ermöglicht, dass trotz der Hornhautverformung durch den Keratoconus ein scharfes Bild auf der Netzhaut entsteht.

3 resp. 6 Monate: Verlaufskontrollen

Weitere Untersuchungen sind nötig um mögliche Spätfolgen wie Vernarbungen und Entzündungen im Bereich der Hornhaut auszuschliessen.

1 Jahr: Verlaufskontrolle

Um sicher zu sein, dass der Keratoconus auch wirklich gestoppt wurde werden in den ersten Jahren nach der Behandlung weitere Kontrollen mit Topographiemessungen durchgeführt. Da sich die Hornhaut bis zu zwei Jahre nach dem Cross-Linking noch leicht verformen kann, ist es möglich das Brillen oder Kontaktlinsen in dieser Zeit öfters angepasst werden müssen.

Familienscreening

Da es sich beim Keratoconus um eine vererbbare Krankheit handelt macht es Sinn die Geschwister und Kinder eines Betroffenen zu Untersuchen. Je früher ein ein Cross-Linking durchgeführt wird, desto besser ist die Prognose für die Sehkraft nach dem Eingriff.

FAQs

Was versteht man unter Keratoconus?

Beim Keratoconus wird die Hornhaut immer dünner und wölbt sich nach vorne, sodass das Sehen zunehmend schlechter wird.

Was ist UV-A Licht?

UV-A ist die schwächste Art der UV-Strahlung des natürlichen Sonnenlichts und hat die Eigenschaft, dass es nicht zu tief in menschliches Gewebe eindringen kann.

Muss die Epithelschicht der Hornhaut für die Cross-Linking-Behandlung entfernt werden?

Ja, diejenigen Crosslinking-Techniken bei denen das Epithel nicht entfernt wird ((Epi-On-Protokolle) sind gemäss wissenschaftlichen Publikationen signifikant weniger effektiv.

Bin ich während dem Eingriff wach?

Ja, wobei die Hornhaut mit anästhesierenden Augentopfen betäubt wird. Die Behandlung wird dadurch nahezu Schmerzfrei.

Wie lange geht die Behandlung?

Die gesamte Behandlungsdauer nimmt ungefähr 45-60 Minuten in Anspruch.

Werden beide Augen am selben Tag behandelt?

Da die Heilung mehrere Tage in Anspruch nimmt und nicht bei allen Patienten gleich verläuft operieren wir in der Regel zuerst das Auge an dem die Ektasie weiter fortgeschritten ist. Erste wenn sich das erste Auge vollständig erholt hat, behandeln wir das zweite Auge.

Wie hoch sind die Kosten für der Operation?

Die Kosten für die Cross-Linking-Behandlung variieren abhängig vom angewandten Protokoll zwischen 1450.- und 3000.- CHF.

Werden die Kosten für das Cross-Linking von der Krankenkasse übernommen?

Vor kurzem wurde die Cross-Linking-Behandlung in den Leistungskatalog der Krankenkasse aufgenommen.

Werden die Kosten für spezielle formstabile Kontaktlinsen von der Krankenkasse übernommen?

Ja, diese Linsen sind auf der MiGeL (Mittel und Gegenstände Liste) aufgeführt, wobei die Vergütung meist nicht ganz ausreicht um die Kosten des spezialisierten Optikers zu decken.

Was sind die grössten Risiken des Cross-Linkings?

Das größte Risiko ist eine Hornhautinfektion in den ersten Tagen nach dem Cross-Linking. Dieses Risiko wird jedoch durch Gabe von Antibiotika nach dem Eingriff minimiert und liegt bei unseren Patienten bei weniger als 0,1 %.
Selten treten durch die Bestrahlung Hornhauttrübungen auf, diese können mit kortisonhaltigen Augentropfen behandelt werden.

Was passiert, wenn ich mich gegen die Behandlung entscheide?

Solange die Ektasie weiter fortschreitet, wird sich Ihre Hornhaut weiter verdünnen, Ihre Sehkraft wird sich weiter verschlechtern, und es ist wahrscheinlich, dass Sie irgendwann eine Hornhauttransplantation benötigen.

Wie lange kann bei Kindern und Jugendlichen abgewartet werden?

Falls schon im Kindes- oder Jugendalter ein Keratoconus besteht, ist das Risiko für eine schnelle Verschlechterung besonders hoch, eine Behandlung sollte deshalb möglichst zeitnah erfolgen. Bei kleinen Kindern ist eine Anästhesie durch einen Anästhesisten notwendig. Die Schmerzbehandlung nach dem Eingriff muss in diesem Falle dem Alter und Gewicht des Kindes angepasst werden.